5 Fragen an den Leiter der Auffangstation für Reptilien in München: Dr. Markus Baur
Nur wenige Tiere sind für die Haltung im Terrarium so gut geeignet wie Leopardgeckos. Ihre Haltung und Pflege machen viele Jahre lang Spaß. Aber leider gibt es auch eine Schattenseite: Auf der einen Seite stehen Vermehrer, die viel zu viele und oftmals auch kranke Jungtiere züchten und verkaufen. Auf der anderen Seite stehen Impulskäufer, die sich nur halbherzig um die Geckos kümmern. Leider landen Leopardgeckos sogar immer wieder im Tierheim. Der Tierarzt und Leiter der Auffangstation für Reptilien in München Herr Dr. Markus Baur hat täglich mit nicht mehr gewollten Tieren und anderen Tierschutzfällen zu tun. In einem sehr emotionalen Interview, lässt er uns an seiner Sichtweise teilhaben.
Dieses Interview sollte jeder Leopardgeckohalter und besonders jeder Züchter lesen.
Karsten: Hallo Markus, ich freue mich sehr, dass Du Dir die Zeit für ein kurzes Interview nimmst! Leopardgeckos gehören zu den Reptilien, die vergleichsweise einfach gehalten werden können. Trotzdem sieht man im Internet vereinzelt Bilder von schlimmen Haltungsfehlern und auch bei Euch in der Auffangstation sitzen immer wieder Leopardgeckos. Woran liegt das?
Markus: Na ja, nicht jeder, der sich ein Tier wünscht, denkt auch daran, dass die Anschaffung nur die halbe Miete darstellt und, dass eine Menge an Wissen und auch deren richtige Umsetzung daran hängt. Das kostet Zeit, Geld und eigene Anstrengung und vor allem neben dem Verstehen auch die Zuverlässigkeit, das Wissen für die Tiere anzuwenden.
Oft geht bei der Anschaffung die Optik über das Tierwohl und Geld über Wohlbefinden. Das ist nicht nur bei Geckos so, sondern bei allen Tieren, da nehme ich ein Meerschweinchen nicht aus und Hunde erst gar nicht… Gerade bei den leicht zu pflegenden Arten, werden viele Fehler gemacht.
" Finanzorientierte, modengesteuerte Massen-Vermehrer"
Hier gab und gibt es Parallelwelten: Einerseits liebevolle, sachkundige und sehr engagierte Terrarianer, bei denen so ein Leo mal eben 18 Jahre und älter wird, aber auch finanzorientierte, modengesteuerte Massen-Vermehrer, die mit Hobbyzüchtern nichts mehr gemein haben. Und dann gibt es noch eine Gruppe von Tierhalten, die nicht an Terraristik interessiert ist, sondern die einem Trend nachgeht: Sie wollen ein Tier haben, das nicht riecht, auf das man nicht allergisch sein kann, mit dem man nicht vor die Tür muss und das keine Steuern kostet, still ist und das man für Wochenendtrips auch alleine lassen kann. Hier fehlt das Verständnis für die Tiere und deren Biologie- die Sachkunde halt. Die Tiere gibt es im Baumarkt und im Gartencenter, in Massen - für billiges Geld - ebenso wie die oft genug schon halb toten Futtergrillen jede Woche. Dreieinhalb Minuten „Beratung“, ein Faltblättchen, das in den Müll wandert und los geht‘s – meist geht es so dann schief… Und leider sind billige „Anfängertiere“ halt ein Einstieg, der oft genug wieder abgegeben wird, wenn er langweilig geworden ist und „was Ordentliches“ angeschafft wird. Das ist bei Bartagamen und Kornnattern identisch.
Dr. Markus Baur stellt sich vor: „Ich bin bereits seit den 1990er Jahren im Tierschutz aktiv und seit etlichen Jahren Leiter der Auffangstation für Reptilien, München e.V.. Von Berufswegen bin ich täglich mit den Tieren beschäftigt, die lästig geworden sind und abgegeben oder ausgesetzt werden. Trotzdem setze ich mich gerne zwischen alle Stühle, denn ich bin selbst Tier- und Exotenhalter und keineswegs gegen die Haltung von (Wild-)Tieren in Menschenobhut. Allerdings plädiere ich neben fundierter und gesetzlich geregelter Sachkunde für Tierhalter auch für machbare, am Tier und seinen Bedürfnissen ausgerichtete, verbindliche Regelungen für die Tierhaltung.“
Karsten: Welche Verantwortung übernimmt man, wenn man sich Leopardgeckos anschafft?
Markus: Ganz genau dieselbe, wie bei einem Hund, einer Katze, einem Papagei oder einer Königskobra, einem Partner oder einem Kind. Partner und Kind klingen weit hergeholt, ich weiß. Aber man entschließt sich dazu ein Lebewesen in sein Leben zu holen, das Bedürfnisse hat und um das man sich im besten Fall für sein Leben lang kümmert. Terrarientiere können leider nicht jammern wie ein Partner oder sich mit einem streiten, sich nicht bei Verwandten oder Lehrern aussprechen. Sie können nicht jaulen wie ein Hund oder sichtbar für alle die Federn rupfen, wie ein Papagei. Sie sind still und leiden ebenso.
Zudem leben sie in einer völlig abgegrenzten, künstlichen Welt, die man mit Sachkenntnis zum Lebensraum gestalten und in ihnen Natur imitieren kann.
Das Terrarium kann aber auch ein langweiliges, tristes und ödes Gefängnis werden, wenn man sich nicht an den Bedürfnissen der Tiere orientiert. Ich vergleiche das oft mit der kindlichen Vorstellung die Welt – unsere Welt – sei Gottes Terrarium. Wenn wir als menschliche Wettergötter nicht auf das Klima achten, kein Licht machen (oder das falsche), wenn wir es nicht regnen, abkühlen und wieder warm werden lassen, wenn wir nicht für Pflanzen und Erde, Verstecke und gutes Futter sorgen, dann haben wir die Welt im Glas zur Hölle für die Tiere gemacht. Dann leiden sie, hungern, dürsten und haben Stress.
Gerade hier sind wir für gänzlich alles verantwortlich, wie ein „Terrariengott“. Wir dürfen auch bei Stress, schönem Biergartenwetter, Beziehungsknatsch, neuer Liebe oder Stress im Alltag und Beruf nicht vergessen, dass wir der Terrariengott unseres Geckos sein müssen. Jeden Tag, jeden Tag richtig und gut und im Sinne des Tieres.
Dass Menschen mit Tieren leben möchten ist wundervoll, es ist eine Annäherung an die Natur, an andere Lebewesen. Es ist aber auch eine knallharte Verantwortung für weit mehr als Terrarium, Futter, Wasser und Sauberkeit. Saint Exupéri lässt den Kleinen Prinzen sagen, man sei verantwortlich für das, was man liebe und der Fuchs sagt treffend, was man sich gezähmt und vertraut gemacht habe, dafür sei man in der Verantwortung. Ich sehe das genauso.
Zudem denken wir Menschen ja so unbiologisch, so anthropozentrisch und so bequem. Es ist einfach, anderen Lebewesen Leidensfähigkeit abzusprechen, ein inneres Leben und Empfindungen. Wir meinen, wir könnten den notwendigen Bedarf mit Wärme und Futter decken- aber an die Bedürfnisse der Tiere und an das, was Jahrmillionen an Evolution geschaffen haben, eine arttypische Biologie, Verhaltensweisen und unwandelbare Bedürfnisse, das verdrängen viele oder haben keine Kenntnis davon. Das ist schade, aber augenscheinlich wahr.
Karsten: Es gibt viele Züchter, die jedes Jahr eine große Menge Jungtiere hervorbringen. Siehst Du bei diesen eine besondere Tierschutzverantwortung?
Markus: Natürlich, ganz klar sehe ich die! Ich denke, Massenvermehrung ist schiere Inflation, die sich zudem an Moden orientiert. Wer viele Zuchttiere hat muss sich darum kümmern - und auch Zuchttiere sollten nicht vegetieren, wie Hennen in einer Legebatterie. Die Leistung, die sie erbringen, nämlich die Vermehrung alleine, ist kein Beweis für Wohlbefinden.
Viele Jungtiere müssen ordentlich und artgerecht gehalten, gepflegt und großgezogen werden, das braucht Platz, viel Aufwand. Leider umgehen das viele Züchter gekonnt (egal ob von Rassehunden oder –katzen, Landschildkröten, Schlangen oder eben Geckos), denn die Tiere gehen schnellstmöglich in den Handel oder an den Endverbraucher. Egal, ob sie verkaufsfit sind oder eben nicht.
Verluste werden gleich einkalkuliert. Oder man geht Kompromisse ein. Ich kenne viele, die ihre Zuchttiere vorbildlich halten, ihre nicht gut verkaufbaren Nachzuchten aber stapeln müssen und sie am Ende verramschen. Im Sinne verantwortungsbewusster Nachzucht und dessen, was sich die Terraristik jahrzehntelang auf die Fahnen schrieb und noch immer schreibt, ist das sicher nicht. Auch der Morphenwahn gefällt mir nicht, weil die Trends so schnelllebig sind und ein Tier, das heute teuer war ist in einem halben Jahr ein Futtergecko geworden, weil es zu viele davon gibt und die Preise in den Keller gehen. Da gibt es keinen Unterschied zur Billigst-Trendrassehunde-Erzeugung oder zum Ferkelerzeuger.
Auch sollten sich Züchter fragen (lassen), ob es sie schert, ob ihre Nachzuchten Cryptosporidien oder angeborene Behinderungen mitbringen, wohin sie gehen, wer sie kauft und wo sie am Ende landen.
Wir alle werden dadurch unglaubwürdig gemacht und in die Schmuddelecke gedrängt, wo viele verantwortungsvolle Terrarianer, die diese Bezeichnung wirklich verdienen, keinesfalls hingehören!
Karsten: Wenn sich die eigenen Lebensumstände ändern und man seine Geckos abgeben muss- welches Vorgehen empfiehlst Du? Kann man seine Tiere bei Euch oder anderen Auffangstationen abgeben?
Markus: Ja klar, das kann man durchaus. Auffangstationen sind nichts anderes, als Tierheime, nur eben für andere Tiergruppen.
ABER: Viele Stationen haben Auflagen und können – oder wollen, was ihr gutes Recht ist – keine Abgabetiere von Privatleuten aufnehmen. Hier spielen Kosten natürlich eine Rolle. Gerade bei einfachen und kostengünstigen Tiere, da diese oft sehr lange in den Auffangstationen bleiben, bis sie vermittelt werden können. Das kostet leider viel Geld. Quarantänekapazitäten spielen hier eine wichtige Rolle und viele Stationen dürfen nur behördliche Beschlagnahmen annehmen und pflegen.
Sehr oft sind es aber gar nicht geänderte Lebensumstände, Umzug, Tod eines Familienangehörigen, Berufswechsel, Geldnot, Trennung oder so, sondern die „Viecher“ werden lästig, langweilig, nehmen Platz weg, kosten zu viel, man hat zu wenig von ihnen oder man braucht das Terrarium für „was Richtiges“.
Viele schieben Lästiges ab, gerade bei den Leos zudem oft positiv getestete Cryptosporidienträger. Es ist einfacher, die Tiere vor eine Auffangstation zu stellen, im Tierheim an die Tür zu hängen, sie auszusetzen oder mit einer rührseligen Geschichte aufzulaufen, generös fünf Euro spenden zu wollen und raus ist man aus der Verantwortung. Verantwortung, die man an einen Tierschutzverein abschiebt, der auf kranken Tieren und den Kosten sitzen bleibt. Fair ist das weder gegenüber den Tieren, noch denjenigen, die sie annehmen.
Allemal besser ist es ganz sicher, wenn man sich selbst um Übernehmer kümmert oder trotz möglicherweise neu angeschaffter Tiere seine Leos weiter pflegt.
Wenn sie abgegeben werden müssen und keine private Abgabe möglich ist, plädiere ich jedoch darauf, dass man sie nicht „entsorgt“, sondern dann wirklich in einer Tierschutzeinrichtung abgibt. Dann sollte man aber auch zu seiner Verantwortung stehen und die Kosten mittragen und vielleicht Pate werden.
Was ich verstehen kann, aber wo wir auch nicht helfen können – und möchten -, sind diejenigen Halter, die mal eben im Internet oder auf der Börse eingekauft haben und dann im Laufe der Zeit merken, dass die Neuerwerbungen Cryptosporidiose haben.
Die hätte man bei ordentlicher Quarantäne und tierärztlicher Untersuchung vorweg schon herausfinden können – oder man kauft gezielt bei infektionsfreien Züchtern für den einen oder anderen Euro mehr!
Dann geht die Panik los und man will die Tiere wieder los werden. Tierärzte werden sie nicht einschläfern, weil eine Infektion kein vernünftiger Tötungsgrund im Sinne des Tierschutzgesetzes ist. Niemand will die Tiere haben, wenn man doch weiß, dass sie eines Tages krank werden… Solche Tiere dann abzuschieben an Tierheime oder Auffangstationen ist echt harter Tobak. Wir zum Beispiel quarantänisieren jedes Tier, auch jeden Leo. Unser Bestand an Tieren, die in die Vermittlung gehen, ist untersucht. Infektionsträger leben bis zu ihrem bitteren Ende in unserer Isolierstation. Diese würde allerdings irgendwann platzen, wenn jeder bei uns „Seuchentiere“ abgeben würde. Hier ist jeder Halter, jeder Hobbyzüchter, jeder Käufer in der Verantwortung nachgewiesen seuchenfreie Tiere einzufordern. Es sind organisierte Halter in der Pflicht, Händler und Züchter zu zwingen, gesunde Tiere anzubieten.
Karsten: Wie kann man Eure Arbeit unterstützen?
Markus: Das ist einfach und auf viele Arten möglich:
Zuallererst, indem man dafür sorgt, dass jeder mit Tieren verantwortlich umgeht. Missstände und schwarze Schafe muss man ansprechen. Man darf nicht bei Kryptosporidien-Verbreitern einkaufen. Wichtig ist es Neulinge zu beraten, Prophylaxe zu betreiben Farbe bekennen zur einer guten Terraristik und gegen das Verramschen von Tieren.
Das wäre sehr wichtige inhaltliche Unterstützung. Man kann aber auch Tiere von uns aufnehmen, potentielle Interessenten an uns verweisen. Man kann spenden oder Pate werden für unsere Tiere. Es gibt zudem die Möglichkeit sich ehrenamtlich bei uns zu engagieren. Man kann Vereinsmitglied werden und sogar bei Arbeitseinsätzen wie dem Bau von Gewächshäusern mitmachen. Auf unserer Internetseite kann man sich über uns informieren und uns sehr gerne bei Facebook folgen.
Und vor allem, man kann sein Hobby mit Freude betreiben, Neueinsteiger motivieren und an die Hand nehmen. Open end quasi :-)
Karsten: Vielen Dank für die wertvollen Informationen!
Markus: Es war mir ein Vergnügen!
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Sabine Grohmann (Montag, 28 Dezember 2020 15:34)
Jetzt freut es mich umso mehr, von der Auffangstation einen Leo übernommen zu haben.
Ich sehe das ganz genauso wie Markus Baur - wir haben es in der Hand, dass sich unsere Schützlinge in unserer Obhut wohlfühlen und es ist unsere Pflicht, alsTierhalter dieser so interessanten Verantwortung auch nachzukommen !
Vielen Dank für das Statement !